Die Schildbürger
Die Schildbürger.
Nach der 1. Ausgabe von 1598 und dem Narrenbuch von 1811 für die Jugend bearbeitet von Erich Sielaff
Der Kinderbuchverlag, Berlin 1961
Vom Herkommen und Namen der Schildbürger
Vor vielen hundert Jahren galt bei den Alten ein kluger Spruch, der seine Wahrheit bis heute noch nicht verloren hat, denn er lautet:
„Wie die Eltern geartet sind,
so sind gewöhnlich auch die Kind':
sind sie mit Tugenden begabt,
an Kindern ihr das gleiche habt."
Dasselbe mußten alle Menschen zum Ruhme wie zum Lobe der Schildbürger sagen. Die Schildbürger wohnten in Schildburg, einer Stadt hinter Kalecut in dem großmächtigen Königreich Misnopotamia. Viele Geschlechter hindurch waren die Schildbürger immer wieder in die Fußtapfen ihrer lieben Voreltern getreten und nicht davon abgewichen. Sie verließen ihr Vaterland erst, als eine große Not sie dazu zwang. Die Aufzeichnungen darüber wurden mit allen andern Schriften und Chroniken durch eine ungeheure Feuersbrunst vernichtet, denn Schildburg wurde durch das Feuer bis auf den Grund zerstört. Es hat sich nur die Überlieferung erhalten, daß die ersten Schildbürger vor grauen Zeiten einmal aus Griechenland gekommen wären und von einem der weisen Meister Griechenlands abstammen sollten. Das wird auch durch den vorangestellten Spruch bezeugt, noch mehr aber durch die edle Haltung und die hohe Weisheit, durch die sich die Schildbürger unter allen Völkern auszeichneten.
Wer nun unter den weisen griechischen Meistern der Stammvater der Schildbürger war, läßt sich leider nicht mehr feststellen. Doch darf man wohl mit gutem Recht annehmen, daß der Stammvater der Schildbürger einer der weisesten und klügsten unter den vertriebenen Meistern gewesen war, zumal die Griechen ja gerade gegen die Väter ihres Vaterlandes oft genug undankbar und grausam gehandelt, mehrere getötet und andere aus dem Lande gejagt und ins Elend gestoßen hatten. Der weise Meister, von dem hier die Rede ist, zog in das Land Misnopotamia und ließ sich dort mit Weib und Kindern nieder. Die Kinder machten wahr, was in dem alten Spruch gesagt und noch durch einen zweiten übermittelt wurde:
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm,
das Kind behält des Vaters Namen."
An Weisheit und Verstand schlugen die Kinder ihren Vätern nach, und weil sie durch Schaden klug geworden waren, wollten sie die Undankbarkeit der Griechen nicht noch einmal am eigenen Leibe erfahren. Darum beschlossen sie, in dem Lande zu verbleiben. Sie bauten sich Wohnungen, beackerten das Feld und beschäftigten sich mit dem Vieh. Daran fanden sie volles Genüge, blieben beieinander und kümmerten sich um fremde Geschäfte gar nicht oder gingen ihnen aus dem Wege.
Von der großen Weisheit und dem hohen Verstande der Schildbürger
Der erste Schildbürger war ein weiser und verständiger Mann. Er ließ seine Kinder nicht umherlaufen wie das unvernünftige Vieh, das keinen Herren und Meister hat, noch überließ er die Sorge für die Kinder der Mutter. ...